HAMBURG: Recensione Madama Butterfly del 18 marzo 2022
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Ich weiss, man sollte den Begriff “musikalische Sternstunde” nicht exzessiv verwenden, doch gestern Abend kam man in der Staatsoper Hamburg in den Genuss einer solchen. Ermonela Jaho ist wohl DIE Butterfly unserer Tage, was sie an Gesangskultur, Reinheit der Intonation, blühendem Timbre, das glutvoll leuchten, dann wieder in beinahe depressive Innerlichkeit zurückfallen konnte und psychologischer Durchdringung der Geisha in die Waagschale warf, war unfassbar. Ich kann mich auch nicht erinnern, je auf Tonträger eine bessere Cio-Cio San gehört zu haben. Ihr Abdriften in das Paralleluniversum rührte zu Tränen. Die Partner*innen an ihrer Seite trugen ebenfalls entscheidend zu diesem exzeptionellen Opernereignis bei: Pavel Černoch als strahlkräftig und mit exemplarischer Phrasierung gestaltender Pinkerton, voll jugendlichem Übermut in Dovunque al mondo im ersten und mit tragischer Selbsterkenntnis in Addio fiorito asil im dritten Akt. Das lange Liebesduett im ersten Akt wurde durch Ermonela Jahos und Pavel Černochs grandios harmonierenden und sich umschlingenden Stimmen zu einem Fest. Franco Vassallo vermochte als wunderbar warmstimmiger Sharpless ebenso zu begeistern wie Kristina Stanek, die mit sattem, wunderbar eindringlich geführtem Mezzosopran als Suzuki wichtige Akzente setzte. Peter Hoare verlieh dem Heiratsvermittler Goro überzeugendes Profil, ebenso wie Peter Galliard als Principe Yamadori und Alexander Roslavets als strenger Zio Bonzo. Das grandiose Dirigat von Matteo Beltrami und das fantastisch präzise, in allen klanglichen und rhythmischen Schattierungen prunkende Spiel des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg ließen einen die Preziosen von Puccinis orchestral wohl bester Partitur erneut bewundern.
Der Regisseur Vincent Boussard hat diese Inszenierung vor zehn Jahren für Hamburg geschaffen. Äusserlich kommt sie relativ schlicht daher, mit Ausnahme der Kostüme im ersten Akt, wo der Modezar Christian Lacroix für die Kimonos der Familie, der Freundinnen und Cousinen von Cio-Cio San aus dem Vollen schöpfen konnte. Welch eine Pracht an Seidenstoffen, Schnitten, Mustern und Farben! Das Bühnenbild von Vincent Lemaire besteht aus pastellfarbenen Blumentapeten, grossen Türen, die Ausblicke auf die Bucht freigeben können. Dominiert wird die Bühne einzig von einer wie ein Pfahl das Häuschen Butterflys durchbohrenden, geländerlosen Wendeltreppe. Von unten her ermöglicht sie die Auftritte der Besucher, führt oben ins Nichts. Zufluchts- und Hoffnungsort zugleich. Der schwarze Zwischenvorhang zeigt psychedelisch schimmernde Mohnblumen, symbolisiert die Traumwelt, in welche Cio-Cio San sich immer weiter steigert. Selbst das Kind, das sie mit Pinkerton gezeugt hatte, tritt nicht als Wesen aus Fleisch und Blut auf. Es ist ein Objekt, eine Puppe, Cio-Cio San hat einen ganzen Schrank voll von solchen Puppen. Das Phänomen der Scheinschwangerschaften wird vom Regisseur im Programmbuch erwähnt. Natürlich haben die beiden wirklich ein Kind, doch es wird von beiden eben nur als Objekt benutzt. Nach Cio-Cio Sans Suizid stürzt die Puppe ins Zimmer, die Illusion ist tot. Vincent Boussard zeigt den Realitätsverlust Cio-Cio Sans mit eindringlicher Personenführung. Oftmals in embryonaler Stellung liegt Cio-Cio San auf der Lehne des Lederfauteuils, des einzigen Möbelstücks auf der Bühne. Leggins und ein schlichtes Top sind nun ihre Kleidungsstücke, sie hat sich dem westlichen Stil angenähert. Trotzdem besteht da natürlich noch ein gewaltiger Unterschied zur amerikanischen Frau, mit welcher Pinkerton zurückkehrt: Kate Pinkerton ist eine Marilyn-Kopie, platinblond, enges Kostüm, knallrote Pumps. Während des mit gewaltiger Emphase dirigierten Vorspiels zum dritten Akt macht sich Cio-Cio San bereit für die Wiederbegegnung mit Pinkerton, wäscht sich, zieht sich einen Morgenmantel an. Doch er kommt nicht, und so sieht sie nur noch einen Ausweg: Con onor muore. Ermonela Jaho gestaltet diese Szene ganz ohne Theatralik, mit rührender, beinahe entrückter Kraft. Das geht wirklich unter die Haut. Und wenn dann Pavel Černoch Pinkertons erschütternde Butterfly, Butterfly Rufe intoniert, könnte man nur noch schreien vor soviel Ungerechtigkeit des Schicksals, des fehlenden menschlichen Einfühlungsvermögens. Puccini hat hier dramaturgisch wahrlich meisterhaft gearbeitet.